Köpfe am Irchel
Am womöglich höchsten Punkt von Zürich erwarten mich sieben Kopf und ein halber, nein, das geht ja nicht, sieben Kopf und ein kleiner. Ein Babykopf. Gibt Brabbelndes und Unverständliches von sich, sitzt auf einem Babykörper. Dieser schwankt, wie ein Babykörper sich nun mal unsicher bewegt, Balance noch nicht kennt. Noch nicht weiss, dass es schlussendlich immer um Balance, das Finden und Halten von Balance geht. Würde das Baby von hier aus runterfallen, würde es aufgrund seines verschwindend kleinen Körpers viel länger fallen als jede/r andere hier oben. Ich habe Höhenangst, nicht nur für mich, auch für andere, von unten und von oben. Freie Höhe löst bei mir immer ein Gefühl, eine Frage aus: Wie ist es, nicht mehr zu atmen?
Ein graubehaarter Kopf schaut sich auch das Baby an, ich jetzt nicht mehr, ich jetzt den graubehaarten Kopf. Die aufgeschlagene Zeitung in seinen Händen. Die er selbst nicht anschaut. Es ist naheliegend, dass er über Alter, Jahre, Zeit nachdenkt. Das Sinnieren über Zeit ist so unergiebig, dass es der beste Zeitvertrieb überhaupt ist.
Ein weiterer Kopf, ein neuer. Saugt an einer Zigarette. Saugt gierig und bestimmt. Saugt wie ein Säugling, wie ein Baby(kopf). Dieser Kopf sieht aus, als tue er alles rauchend. Immer.
Zwei andere Köpfe reden angeregt miteinander. Beim besten Willen fällt mir nicht ein, worüber sie reden könnten. Vielleicht über Augäpfel. Sie versinken ineinander.
Ein Kopf beinhaltet einen melancholischen Blick und trägt ein Tuch. Existiert da ein Zusammenhang? Liegt die Melancholie im Gesehenen? Der Blick ist der einzige, der über die Aussicht schweift. Ich entscheide mich nun auch, Zürich entgegenzublicken.
Viele Hochhäuser mit grossen Fenstern. Ich will auch grosse Fenster zu Hause, Fenster zur Welt, sodass es weder innen noch aussen gibt. Von hier wirken die Fenster wie schwarze Löcher und schwärze Löcher wirken generell immer wie das Gegenteil von Freiheit. Hier oben sind wir frei und doch gefangen, von Blicken und Gedanken.