Hottingen
Frau Hueber
Eine kleine Begegnung im Kreis 7 in Hottingen, Zürich um 21.10 Uhr. Ich werde auf dem Heimweg von einer alten, verwirrten Frau angesprochen, sie ist ganz in Weiss gekleidet. Ob ich wisse, was hier passiert sei?, fragt sie mich. Sie hätte hier, aus diesem Haus, jemanden um Hilfe schreien hören … Jetzt sei sie gekommen, um zu sehen, was geschehen sei. Ich biete ihr meine Hilfe an, und gemeinsam gehen wir um den Wohnblock auf die Suche nach einer Menschenseele. Die Frau stellt sich mir als Frau Hueber mit ue vor und zeigt mir zum Beweis das Namensschild ihres hier wohnhaften Sohnes an der Türklingel.
Vorerst meldet sich niemand. Dann aber eine männliche Stimme, die sagt, wir sollten ihn doch endlich in Ruhe lassen. Frau Hueber ist schockiert. Sie glaubt, dass die Stimme gerade eben ihr Sohn war, der uns abweist. Sie ist den Tränen nahe. Ihr Sohn war das offensichtlich nicht. Ich begleite sie nachhause auf die andere Strassenseite. Sie erzählt mir, dass sie bereits achtundneunzig Jahre alt sei und kürzlich vom Blitz getroffen worden sei. Sie meint ein Schlägli. Seither kann sie nicht mehr so schnell gehen. Frau Hueber erwähnt auch mehrmals, dass sie wohl etwas plemplem sei. Ich verneine jedes Mal. Als wir in ihre Wohnung kommen, stellt sie sich sofort ans Fenster, schnappt sich ihr Fernglas und beobachtet den Eingang des Wohnhauses gegenüber, vor dem wir vor wenigen Minuten selbst gestanden sind. Um die alte Dame etwas zu beruhigen, biete ich ihr an, meine Nummer aufzuschreiben und sie anzurufen, falls ich etwas Neues bezüglich des Unfalls höre. Mit Frau Huebers Nummer im Gepäck verabschiede ich mich und verlasse circa um 21.38 Uhr ihre Wohnung.
Am nächsten Morgen in der Schule sehe ich, dass ich drei Anrufe verpasst habe. Frau Hueber hat mir auf die Combox gesprochen. Sie möchte mich unbedingt sprechen. Sie erklärt mir, dass sie nun nicht mehr erreichbar sei, da sie nach Wohlen an eine Beerdigung fahre, zu der sie sich extra chic gemacht habe. Später, am Nachmittag, rufe ich sie zurück. Sie erzählt mir alles, was sie weiss. Irgendetwas von brasilianischem Schmuck und ihrem verschwundenen Sohn. Frau Hueber fragt mich, ob ich von der Polizei sei, weil ich so viele Fragen gestellt habe. Ich verneine leicht verängstigt.