Pune
- Afrim Fetinci
- 25. Juni
- 1 Min. Lesezeit
Im indischen Pune leicht erleuchtet, suchte ich nach Buchhandlungen. Ich wollte überholten Ideologien wie Gott, Schicksal und Meditation gründlich auf den Zahn fühlen. Die erste Buchhandlung verblüffte im Inneren durch eine minimalistische Eleganz. Die Glasfronten hoben die Trennung zwischen der Buchhandlung und seiner Umgebung auf. Inmitten einer tropischen Oase sah ich strahlend weisse Wände und perfekt aufgereihte Bücher. Die silbrigen Prägungen auf den festen Bucheinbänden gaben den Inhalt der Bücher preis. Die Illusion, von welcher die Bücher befreien wollten, ist die Illusion, dass wir die Natur, die Evolution, das Gehirn oder das Universum beschwören, um uns von unserer Freiheit zu entlasten. Schliesslich fand ich die Themen, nach denen ich suchte, in den sogenannten Slums von Pune. Der Begriff Slums gefällt mir überhaupt nicht, doch alle wollen den Begriff hören, wenn ich von Indien erzähle. In den unterversorgten Gemeinschaften von Pune suchte ich nach einer ganz bestimmten Buchhandlung. Auf dem Weg dorthin wurde ich beschimpft, fotografiert und bespuckt. Schliesslich kam ich im graugrünen Wohnzimmer von Puja an. Sie verwandelte ihr Wohnzimmer zur Buchhandlung. Das viele Essen stellte sie in die Küche, die Anrichte schob sie zur Seite und hinter den Trennwänden und Vorhängen, die sie entfernte, befanden sich über 300 Bücher.
Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit der Literaturzeitschrift orte im Rahmen der 50 Jahre Jubiläumsfeier

Bild: Raphael Zubler