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Büchermenschen

Langsam nähere ich mich den Regalen, alle voll mit Büchern, intellektuellen sogar – ein Wort, das mich peinlich berührt. Ich setze mich auf einen Stuhl, um das Geschehen erst einmal aus der Distanz zu beobachten. Einige Leute lesen, andere sind im Begriff zu lesen. Aber vor allem hat es Leute, die aussehen, als würden sie sich gut mit der Bücherfrau vorne an der Kasse verstehen. Denn sie schauen mich alle so an, wie sie es getan hat. Sie sehen eine Aussenseiterin, ohne Buch in der Hand, allein, in der Ecke auf einem Stuhl.

 

Ich beschliesse, mich ihnen anzupassen, stehe auf und beginne zu stöbern. Ich komme mir blöd dabei vor, denn es ist klar, dass das hier nicht mein Habitat ist. Trotzdem glaube ich immer noch fest daran, eines Tages ein Buch in der Hand zu halten und Zeile für Zeile zum Ende vorzudringen. So wie ich es ein paar wenige Male in meinem Leben erlebt habe.

 

Immer, wenn ich einmal wirklich begonnen habe zu lesen, war ich ein anderer Mensch. Ein Büchermensch. Etwas weniger langweilig angezogen, man könnte fast sagen, frech angezogen. Doch viel öfter geschah das Gegenteil. Denn, nein, lesen mochte ich noch nie. Und doch glaube ich immer noch fest daran, dass ich irgendwann das eine Buch finden werde.



Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit der Literaturzeitschrift orte im Rahmen der 50 Jahre Jubiläumsfeier






Bild: Raphael Zubler





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