Checkliste
Manchmal fühlt sich mein Nachhauseweg wie das Abarbeiten einer Checkliste an.
Keine, die ich selbst verfasst habe. Vielmehr eine mir auferlegte Last, eine Aufforderung, ein Auftrag, für dessen Ausführung ich nicht belohnt werde.
Jetzt gerade ist es 03:13 Uhr in der Nacht und ich fahre alleine vom Hauptbahnhof Richtung meinem Zuhause mit dem Nachtbus. Nacktbus. Kalt.
Ich schliesse meine Jacke. Verschliesse mich.
Check.
Ich gähne und ziehe mir langsam aber bestimmt das Haargummi aus den Haaren, die ich dann in meiner Jacke verstecke. Ich denke nicht darüber nach. Es ist Routine.
Check.
Als nächstes greife ich in meine Tasche, greife nach meinem Hausschlüssel, nach Sicherheit.
Check.
Er klimpert und stösst bei jeder hektischen Bewegung gegen meinen Pfefferspray, den ich jetzt umklammere, umklammere was ist und was nicht sein sollte.
Check.
Ding! Bahnhof Oerlikon.
Noch drei Stationen.
Ich schalte die Musik aus. Stille. Leere.
Check.
Ich ziehe meine Powerbank aus der Tasche und schliesse mein Handy an. Powerfull. Powerless.
Check.
Noch zwei Stationen.
Auf dem Handy öffne ich Wayguard, teile meinen Standort. Fort. Stillstand.
Check.
Noch eine Station.
Ich rufe meine Freundin an.
Sie geht ran, schläfrig, ermüdet von dem was ist und was nicht sein sollte.
Check.
Ding! Seebacherplatz. Endstation.
Ich steige aus, der Himmel schwarz, die Strasse leer, die Häuser dunkel, die Nacht still.
Ich beobachte meine Umgebung.
1,2,1.
Ein Mann hinter mir, zwei Männer vor mir, eine Frau hinter mir.
Ich klammere mich an die Stimme meiner Freundin, und die Stimme in meinem Kopf, die sagt, dass schon alles gut kommen wird.
Ein Auto kommt von links. Es fährt langsam an mir vorbei, zu langsam, mein Puls zu schnell, Gedanken zu schnell, schnell, schnell will ich heim.
Die Frau biegt nach links auf eine Quartierstrasse ab.
1,2.
Ein Mann hinter mir, zwei Männer vor mir.
Noch bin ich nicht allein. Von drei wird wohl einer gut sein.
Die beiden Männer vor mir biegen jetzt nach rechts ab.
1.
Ein Mann hinter mir.
Ich sage meiner Freundin, wo ich bin. Sie sorgt sich. Meine Stimme bricht. Ich laufe weiter, als wäre nichts, versuche, selbstsicher aufzutreten, langsam und stolz zu gehen.
Check.
Der Mann hinter mir wird langsamer, biegt dann links ab.
0.
Nur ich bin noch da -
Allein, allein.
Dieser Text entstand zusammen mit dem Text 'Heimweg' von Afrim Fetinci und wurde von beiden Autor*innen im JULL-Tonstudio eingelesen:
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