top of page

Bochumer Korrespondenz I

Wie man wider Gesetz zu einer deutschen SIM-Karte kommt

An ihrem ersten Morgen in Bochum kommt das Wasser in Fäden vom Himmel. Kulisse ist ein typisch ruhrpottscher Innenhof mit quadratischen Fensterlöchern, Backsteinmauern und Fassaden, die so dunkel sind, dass man sich an die Zeit der Kohlewerke erinnert fühlt. Bochum, die Industriestadt.

Das Tagesziel: eine deutsche SIM-Karte. Die Exil-Schweizerin verlässt mit einem zu wenig warmen Pulli und fünfzehn Euro achtzig das Haus. Erst mal braucht sie Geld; ihre Schweizer Karte funktioniert nicht in den Läden.

Mit hundert Euro geht sie vom Geldautomaten zum nächsten Handygeschäft. Der Mitarbeiter bei Vodafone will ihr ohne Wohnsitzbestätigung keine SIM-Karte verkaufen. Sie verlässt den Laden. Es regnet immer noch. Geht weiter zu Saturn – „Geiz ist geil!“ –, weil sie ohnehin einen Adapter braucht. Der Verkäufer drückt ihr auf Nachfrage einen Stecker in die Hand und sie wird erst zuhause merken, dass der Mann nicht verstanden hat, was sie wollte. Deutscher Eingang, Schweizer Ausgang, sehr witzig.

Jetzt geht sie in die Handyabteilung und fragt nach einer SIM-Karte. Dasselbe wie bei Vodafone, Ausweis, okay, Wohnsitzbestätigung blabla und den Wohnsitz ihrer Oma in Wiesbaden könne sie leider nicht angeben. Es gibt seit diesem Sommer ein neues Anti-Terror-Gesetz. „Dann muss ich mich extra für diese SIM-Karte in Bochum registrieren, oder wie?“, fragt sie in der Hoffnung auf eine Alternative. Keine Alternative. Sie geht also die paar Schritte zum erstaunlich imposanten Rathaus. Man gelangt durch den Innenhof zur Ausländerbehörde, aber da muss sie gar nicht hin, sie braucht ja kein Asyl. An ein paar Heiratswilligen vorbei durchquert sie den wirklich schönen Innenhof des Rathauses mehrmals, bis sie sich beobachtet fühlt. Eine Frau im Deux-Pièces rettet sie, heisst sie am Hinterein­gang anstehen. Man kann nach einer halben Stunde Wartezeit einen Termin für in zwei Wochen vereinbaren. Und hat allmählich keine Lust mehr. Der Rückweg führt sie vorbei an einem Elektroramschladen, der auch Porzellan und Billighaarbürsten (von denen sie zugegebenermassen eine kaufen wird) anbietet. Nicht deshalb geht sie rein, sondern, weil oben dran Lebaramobile steht. Erinnert an „Lepramobile“, aber wer weiss, vielleicht wirds ja was. Die Hälfte der Flyer ist auf Türkisch und man kann mit jedem Handyvertrag 500 Minuten ins europäische Ausland telefonieren. Nachdem alle Türken zuerst bedient wurden, zeigt sie ihren Ausweis und muss des Weiteren bloss ihre Adresse in Bochum angeben.

Wie gut, dass Terroristen immer zu Vodafone gehen. Und dass sie keinen deutschen Wohnsitz haben.


bottom of page