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Selma Matter

Bochumer Korrespondenz II

Gesucht - gefunden

An einem sonnigen Sonntagnach­mittag verlasse ich mit Google Maps im Kopf den Treppenhaus-Mief und laufe los in Richtung Stadtpark.

„Stadtpark? Was’n los da?“, will ein Passant wissen, den ich nach dem Weg frage. Die Strasse runter und rechts. Ich werde mehrmals fast überfahren von Kamikaze-Radlern auf dem Bürgersteig, dann führt ein von Müll und Pflanzen gesäumter Weg in steilen Serpentinen bergauf. Weiter hinten Bunkerruinen.

Ich bin nicht sicher, ob das hier ein gammliges Privatgrundstück oder tatsächlich ein Park ist. Der West­park, so steht es da geschrieben, ist eine Brache aus Bochums Kohle- und Industriezeit und zugleich eines der wichtigsten Biotope im Ruhrgebiet. Der Stadtpark ist das nicht.

Hinter dem nächsten Gebüsch tut sich eine überwucherte Industrie­landschaft auf. Sie passt ins Konzept unserer Zeit, ein „umgenutzter Off-Space“. Auf einer Halle steht Europa, unter einem riesigen Rohr ziehen sich zwölfjährige Basketballer um. Wiesen, Treppen, Wiesen. Leute grillen und spazieren. Ich blicke ins brackige Wasser unter einem Stelzenbau, bis zwei Fische an die Oberfläche kommen. Von einer Plattform aus sehe ich hinter den Blättern Autos blitzen. Weiter unten liegt ein stattlicher Müllhaufen, halb unterm Laub begraben.

Als ich den Park verlassen will, fällt mir am Fuss des Hügels ein unverschlossenes Leihfahrrad auf. Ich spaziere möglichst unauffällig hin, als wäre es mein eigenes. Kaum dass ich stehend in die Pedale trete, weil mir der Sattel bloss bis an die Knie reicht, höre ich hinter mir schnelle Schritte. Rennen die zwei Männer den steilen Weg aus Spass hinunter oder hinter mir her? Ich verschwinde um die Ecke und lese auf dem Fahrrad: Achtung GPS. Ich werde es also den Nachbarn in die Einfahrt stellen und dann täglich damit zum Schauspielhaus fahren. Perfekt.

Wenige Tage später verlasse ich das Haus, will auf „mein“ Fahrrad steigen und in die Pedale treten – aber da sind keine Pedale mehr, in die ich treten könnte. Das Körbchen ist zerdellt, der Sattel abgeschraubt.


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