Balkan in der Stadt
von Arzije Asani
Eine lange Zeit ist vergangen und die Sehnsucht in meiner Brust geht nicht weg. Der Schmerz ist da und will in mir drin sitzen bleiben. Ich kann diesen Schmerz nicht richtig beschreiben.
Kennst du das Gefühl, wenn du etwas so sehr willst, aber es nicht haben kannst? So fühlt es sich an, wenn ich an meine zweite Heimat denke. Es tut einfach nur weh, trotzdem fühlt es sich irgendwie schön an.
Ich muss beide Orte immer wieder erleben, um mein Gleichgewicht zu halten. Schon so lange war ich nicht mehr da unten. Ich sehne mich nach schlecht gepflasterten Strassen, nach Unordnung und Verspätungen, nach chaotischen Klängen, nach emotionaler, dramatischer Musik und wilden Tänzen. Zu lange sehe ich schon verschlossene Gesichter, perfekte Strassen, Ordnung und Sauberkeit. Zu lange schon bin ich nur am Arbeiten, Schlafen und Essen. Und wieder am Arbeiten, Schlafen und Essen. Ich möchte so fest in meine zweite Heimat ausbrechen.
Also mache ich mich auf den Weg in die Stadt, um mich ein bisschen von diesem Schmerz zu befreien. Ich liebe die Stadt. Auch wenn ich sie manchmal hasse. Doch nur in einer perfekten Stadt begegnet Mensch ein bisschen Ferne. In jedem Kreis meiner Stadt finde ich einen Türkenladen, in dem ich Fetakäse und Fanta Exotic kaufen kann. In den Kleiderläden kann ich ab und zu Albanisch sprechen, wenn ich am Namensschild den ausländischen Namen der Verkäuferin deuten kann. Früher, vor Corona, da gab es sogar Balkan Partys, erinnere ich mich. Anfangs war ich ein bisschen beleidigt, denn die Band war meistens schweizerisch und die Gäste sprangen rauf und runter und rauf und runter. Sie konnten die Schritte nicht. Doch mit der Zeit gefiel es mir, denn ich fühlte mich wohl und willkommen. Ich wusste, sie feiern unsere Kultur und unsere Musik, auch wenn sie nicht genau wussten wie.
Zur Einstimmung auf die Tage südosteuropäischer Literatur im Literaturhaus schreiben die Stadtbeobachter-innen Arzije, Xhemile und Dorijan über ihren «Balkan in Zürich».
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