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Walk on the wild side

Es war der 3. August 2019 und einer der wärmsten Abende des Sommers. Connie traf sich mit Damian gegen 19.30 Uhr am Zürich Hauptbahnhof. Beide hatten noch Urlaub und waren den Sommer über in der Schweiz geblieben anstatt ins Ausland zu gehen.

Beide hatten sich recht warm angezogen. Connie mit Cargo-Short und einer Strickjacke und T-Shirt in einheitlicher Farbe (dunkelblau und schwarz), während sich Damian mit Double Denim Look, ein paar Sneakers und einem weissen T-Shirt zufrieden gab. Sie gingen Richtung Langstrasse in eine Shisha-Bar, die sich in der Nähe des Riff-Raff Kinos befand. Als sie reingingen und einen Platz fanden, war Connie bereits angewidert von der Musik und den Menschen, die sich dort befanden. Er dachte sich, ’welch grauenhafte Musik’. Es lief eine Deutschrap-Playlist mit den populärsten Tracks der Woche. Die Menschen dort zogen sich sehr gepflegt an – dafür, dass sie nur ein paar Shishas rauchten. Zu viel Parfüm, Schminke, After Shave und Nagellack.

Die Ex-Freundin von Damian, Lara, wollte sich mit ihnen in dieser Bar verabreden, aber sie gab seit einer Weile keine Antwort. Damian starrte die ganze Zeit auf sein Smartphone, während Connie das Leben aus der Shisha wegrauchte.

«Nimm mal!», sagte Connie zu Damian, «ich kann den Scheiss nicht alleine wegrauchen.»

Connie rauchte lieber Zigaretten.

«Komm schon!»

Damian nahm den Schlauch, aber starrte weiterhin auf sein Smartphone.

«Leg mal das Ding weg und geniess den Abend!», sagte Connie zu ihm, doch Damian verhielt sich weiterhin passiv. Damian verhielt sich wie ein Hund, der auf seinen Besitzer wartet, dass er nach Hause kommt. Erst nach einer halben Minute gab er eine Antwort.

«Das verstehst du nicht!», erklärte er Connie, «du warst noch nie in meiner Situation … Du warst ja nie mit einer zusammen!»

Boom!, es herrschte Stille. Connie sagte nichts, weil er angepisst war von Damians Kommentar. Beide sagten kein Wort für die nächsten zehn Minuten. Connie glotzte auf sein Handy.

«Wäre ja gut möglich, dass sie dich einfach nicht sehen will», sagte Connie zu Damian.

«Warum soll sie das tun? Das ist nicht sie! Etwas Anstand kann man ja erwarten!»

«Du redest von Anstand, nachdem du sie mit ihrer besten Freundin gefickt hast – oder deine Nachbarin oder wen auch immer. Du bist kein Heiliger!»

Die letzten Wochen ging er Connie auf den Sack mit ihr. Immer wieder das gleiche. Er stalkte sie, bedrohte sie und zog Connie unnötig hinein, obwohl er damit nichts zu tun haben wollte. Und Damian stellte sich immer wieder als Heiliger dar, als wäre er Jesus Christus. ‘Man muss mal ehrlich sein’, dachte Connie.

Damian sagte nichts für eine halbe Minute, was sich wie eine Ewigkeit anfühlte. Er war vorsichtig mit den nächsten Worten, die er aussprechen wollte. Connie war überrascht, weil es das erste Mal in seinem Leben war, dass er jemand mundtot machen konnte. Normalerweise, tickten die Menschen aus, wenn er direkt zu ihnen war, und fingen einen Streit an oder verneinten alles bis zum Tode.

Doch Damian sagte: «Du hast recht.» Und Connie war schockiert von seiner Antwort. Das kam unerwartet. Damian sprach weiter: «Ich war nicht immer ein guter Freund zu ihr. Ich habe meine Macken … Ich will es gut machen. Ich will besser sein.» Gerade da erhielt er eine Nachricht von ihr und sagte zu Connie: «Sie geht mit ihrer Schwester ins Mascotte und sie will mich nicht sehen.» Damian dachte kurz nach: «Gehen wir hin!»

«Alter!», antwortete Connie in einem genervten Ton, «geniessen wir den Abend und vergessen die Sache.»

«Du verstehst das nicht. Du hast noch nie eine Freundin gehabt.»

Connie war sprachlos. Noch einmal musste Damian die gleiche Karte bringen und dieses Mal lauter, in aller Öffentlichkeit. Connie versank in Scham, seine Backen wurden rot und in seinem Innern wollte er Damian nur noch erwürgen.

«Los, gehen wir», sagte Damian, «wir haben nichts Besseres zu tun. Ich zahl dir ein paar Bier auf dem Weg.»

«Gut», sagte Connie müde, «aber mach kein Scheiss, wenn wir dort sind.»

Sie hielten noch bei Drinks of the World am Hauptbahnhof an, wo Connie zwei Dosen Guiness spendiert bekam, die er auf dem Weg in weniger als 10 Minuten wegtrank. Ausserdem rauchte er 5 Zigaretten.

Sie waren schnell zu Fuss. Sie brauchten nicht mal eine halbe Stunde. Connie hatte ein schlechtes Gefühl bei der Sache. Lara wollte nichts mehr von Damian wissen und trotzdem blieb der einfach hartnäckig. Das war die perfekte Kombo für einen chaotischen Abend. Connie begleitete Damian nur, damit er keinen Scheiss baut wie die letzten Male.

Unterdessen waren sie beim Sechseläutenplatz, der gleich in der Nähe des Mascotte war. Connie fragte Damian: «Was willst du machen, wenn du sie siehst?»

«Mit ihr den Abend verbringen natürlich. Du wirst auch deinen Spass haben!», versprach Damian.

Vor dem Mascotte war eine riesige Schlange. Connie entdeckte Lara mit Tayip, einem alten Schulkamerad von ihnen, und seiner Entourage – der Sturm kam immer näher.

Connie erstarrte, Damian verlor in dem Moment seine Vernunft. Er sah nur noch rot. Damian eilte zu Tayip und gab ihm eine Ohrfeige: «Du Scheisswichser! Du weisst nicht, mit wem du dich anlegst!»

Damian holte sein Messer aus der Jackentasche hervor. Ohne mit der Wimper zu zucken, eilte Connie zu ihm hin, um das zu stoppen. Er dachte nicht nach, dass er sich verletzen könnte. Als wäre es ein Instinkt, dass er bei sowas eingreift. Er packte Damian, bevor er zustechen konnte. Obwohl er ihn festhielt, wollte Damian weiterhin auf Tayip losgehen. Damian war ziemlich stark für einen dünnen Mensch. Connie hielt ihn fester als zuvor und trug ihn hinüber auf die andere Strassenseite zum Sechseläutenplatz. Dort warf er ihn auf den Boden.

Connie zitterte nicht, sein Herz war ruhig und er blieb cool, obwohl sein Leben auf dem Spiel stand.

Da stand Damian wieder auf, um einen zweiten Versuch zu starten.

«Tu das, und ich brech dir jeden einzelnen Knochen, du Arsch!», schrie Connie ihn an. Damian hielt inne. Denn er wusste, dass Connie keine Angst hatte.

Das Komische war: Connies Herz fing erst an zu pumpen, nachdem sein Hirn realisierte, dass er sein Leben in Gefahr gebracht hatte. Sein Herz klopfte wie wild und er dachte an einen Drink.

Da war eine kleine Bar beim Sechseläutenplatz. Connie ging dorthin und bestellte ein Glas Rotwein zum Mitnehmen. Er kehrte damit zu Damian zurück.

«Ich will mit ihm reden…, das war eine dumme Idee», sagte Damian zu Connie.

«Du sagst es», kommentierte Connie in einem sarkastischen Ton und nahm einen Schluck Wein. Doch gerade da kam Tayip mit seiner Entourage und Lara auf sie zu.

Connie ballte seine rechte Faust für einen wahrscheinlichen Kampf. Es waren sechs gegen zwei.

Lara stellte sich vor Damian auf: «Immer wieder musst du mein Leben ruinieren!» Sie fing an zu weinen. «Du verdammter Wichser, ich will nur einen Abend meine Ruhe von dir haben! Das ist bereits der dritte Samstag, den du ruinierst!»

Während Lara und Damian stritten, ging Connie noch einmal zur Bar, um ein weiteres Glas Wein zu holen. Wieder zurück, stellte er sich an einen der Stehtische, die dort herumstanden. Er lehnte sich mit seinem Oberkörper an, rauchte eine Zigarette und trank aus seinem Glas. Lara dominierte den ganzen Streit. Damian konnte kaum ein Wort rauskriegen, weil sie immer noch nicht mit ihren Punkten fertig war. Das dauerte gut 10 Minuten so. Connie langweilte sich und unterbrach für einen Moment ihren Streit – für sein Vergnügen.

«Hört mal auf, euch wie Kinder zu benehmen!», sagte er möglichst autoritär, «könnt ihr verdammt nochmal einmal in eurem Leben ehrlich zueinander sein?»

«Das sagst du zu mir?!», fragte Lara, während ihr Zorn sich steigerte.

«Du bist nicht perfekt … Das ist niemand. Hört mal auf, so dumm zu sein, ihr Idioten!»

«Halt die Klappe!», sagte einer von Tayips Freunden.

«Was hast du gesagt?» Kaum sagte Connie etwas, hielten alle ihre Klappe. Niemand wagte es, sich mit ihm anzulegen, nachdem er Damian mit dem Messer überwältigt hatte. Connie war froh, in dieser Position zu sein, in der niemand ihn schikanieren konnte.

«Wisst ihr was? Ich hab' kein Bock mehr. Wenn ihr euch umbringen wollt, macht das! Fickt euch doch alle!»

Connie warf sein Glas auf den Boden und ging. Das einzige, woran er nun dachte, war an ein Bier.




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