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Der Gemeinschaft wegen

Aktualisiert: 1. Juli

1. Juni 2025 Reformierte Kirche Bülach

Foto: Hanna-Karina Müller

Sonntagmorgen, der Wecker reisst mich aus meinem kurzen Schlaf. Während meine Mitbewohnerinnen noch schlafen, bin ich bereits wach, um etwas zu machen, was ich sonst nicht mache: zum Gottesdienst gehen. Eigentlich müsste ich für meine Prüfungen lernen, dennoch steige ich auf mein Fahrrad und radle los.

Ich finde das Lavaterhaus, ein bisschen versteckt neben der St. Peter-Kirche. Cornelia Camichel, die Pfarrerin öffnet mir die Türe. Die Gespräche sind schon voll im Gang. Ich werde freundlich von allen Seiten begrüsst und mir wird grad ein Kaffee und ein Gipfeli in die Hand gedrückt. Weil die St. Peter-Kirche renoviert wird, geht es heute nach Bülach zur Kirche. Wir ziehen die Jacken an und laufen alle zusammen zum HB. Wir reden über die Wohnsituation in Zürich, Pfadi, die Art und Weise, wie die Menschen früher den Sommer in der Schweiz verbracht haben, über neue Projekte, wie eine Krippen-Kunst-Ausstellung oder Kinderbücherspenden an die Wasserbibliothek. Man merkt ihnen an, wie dankbar sie sind, dass Cornelia diese Sonntage in anderen Kirchen organisiert. Sie wollen ihre Heimat nicht verlieren, denn laut ihrer Aussage haben viele in Zürich ihre Heimat durch die Zusammenlegung der verschiedenen Kirchenkreise verloren.

Um Punkt 10 Uhr fängt der Gottesdienst in der reformierten Kirche in Bülach an. Die Kirchenglocken hört man wohl durch ganz Bülach und die meisten in meinem Alter sind wahrscheinlich noch am Schlafen oder schon am Lernen.

Wir sitzen ganz gespannt in den Reihen. Die Einheimischen sind superneugierig, was für Leute da zu Besuch sind. Das Orgel-Ensemble mit den beiden Musikerinnen von Bülach und Zürich hallt harmonisch durch die Kirche.

Da es ein Sonntag zwischen Auffahrt und Pfingsten ist, wird auf das ungewisse Morgen eingegangen. Mir war bis dahin nicht bewusst, dass dies ein ganz besonders spezieller Sonntag ist, ausser dass meine Mitbewohnerin Geburtstag hat.

Ich höre mit offenen Ohren hin, was gesagt wird. «Ich bin der Weg», «Loslassen und Vertrauen», «man soll kleine Blumen (kleine Freuden) am Wegrand entdecken und einen bunten Strauss sammeln». Schöne Worte, die ich hier aufsammle. Bis das Ganze mit Jesus, Sünde, Gerechtigkeit und Gericht in Verbindung gebracht wird.

Hm. Ich weiss nicht, ob ich da dahinterstehen kann. Aufstehen und singen, auch nicht ganz so meins. Vielleicht weil ich die Lieder nicht kenne, oder weil ich nicht so gerne vor (neben) Leuten singe.

Nach einer guten Weile ist der Gottesdienst fertig und wir begeben uns nach draussen. Die Gespräche mit dem Apfelmost in der Hand sind freundlich und schön.

Auf die Frage, wieso man am Sonntag zur Kirche geht, wird mir geantwortet: der Gemeinschaft wegen. Man fühle sich zu Hause und es sei schön, sich immer wieder zu sehen. Und dies ist etwas, wonach alle Generationen auf der Suche sind, egal ob Jung oder Alt. Gemeinschaft.

Ist die Gemeinschaft immer noch die Aufgabe der Kirche oder die des Staates oder vielleicht die der Allgemeinheit? Da gibt es wohl keine einheitliche Antwort. Aber was ich gesehen habe, sind Menschen, die Gemeinschaft suchen und diese in der St. Peter Kirche bei Cornelia finden, auch unterwegs.

 

Hanna-K. Müller (*1999), JULL-Stadtbeobachterin seit 2025



Foto: Hanna-Karina Müller


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