top of page

ALL YOU NEED IS LOVE

Aktualisiert: vor 2 Tagen

6. April 2025 Markuskirche im Quartier Seebach

Foto: Deborah Mäder

Die Sonne weckt mich sanft durch das Fenster und den goldenen Vorhang. Es ist Sonntag. Schon um acht Uhr mache ich mich auf den Weg nach Zürich. Im Zug und in der Stadt begegnen mir Menschen, die vom Ausgang heimkehren oder sich frühmorgen – mit Rucksack und Sonnenbrille – aufmachen in Richtung Berge.


Die Sonnenstrahlen streifen bereits die Dächer rund um den Lindenhof. Die St. Peter Kirche erwartet mich mit ihrem riesigen Ziffernblatt, das selbst durch die Baustelle hindurch zu strahlen scheint. Nach kurzem Zeittotschlagen auf dem Platz vor dem Lavaterhaus betrete ich das Gebäude. Eine kleine Gruppe begrüsst mich herzlich mit «Kafi und Gipfeli». Sofort fühle ich mich willkommen.


Nach ein wenig Small Talk und ersten neugierigen Fragen, wer ich eigentlich bin, kommt auch schon Pfarrerin Cornelia. Herzlich begrüsst sie alle, und auch ihr Mann stellt sich mir freundlich vor. Gemeinsam machen wir uns auf zu einem Spaziergang die Bahnhofstrasse hinunter, von wo aus wir das Tram nach Seebach nehmen. Obwohl die Sonne scheint, ist der Wind an diesem Tag erstaunlich frisch.


Während sich das Stadtzentrum langsam mit Leben füllt, fahren wir schon dem Rand der Stadt entgegen. Eine kleine Delegation der Markuskirche erwartet uns an der Haltestelle und begleitet uns zur Kirche. In guter Launer begrüssen sich alle, wie bei einem Treffen alter Bekannter. Während die Stadt lebendig wird, gehen die Beteiligten, wie der Sigrist der St. Peter oder die Vorstandpräsidentin der Markuskirche, bewusst aus der Hektik heraus zu einem ruhigeren, konzentrierteren Ort. Pfarrerin Cornelia Camichel und Pfarrer Markus Dietz eilen voraus, um letzte Vorbereitungen für den Gottesdienst zu treffen. Wir übrigen spazieren gemütlich durch ein ruhiges Wohnquartier, bis sich auf einem kleinen Hügel schliesslich die Schule und die Kirche zeigen.


Das gute Wetter verleiht dem Tag etwas Feierliches – fast, als wäre schon Ostern. Die Glocken läuten und laden uns ein. In der Kirche entdecke ich ein vertrautes Gesicht in einer der Bänke. Ich begrüsse meine Schwägerin, während sich die Menschen auf ihre Plätze begeben.


Der Gottesdienst ist ganz anders als das, was ich aus katholischen Kirchen kenne. Die Stimmung ist offener, fast wie in einem Buchclub. Es geht um aktuelle Themen – Krieg, Politik, Gerechtigkeit. Probleme oder Fragestellung werden verständlich angesprochen und nicht in verschlüsselter Form dargestellt. Ich finde: Es ist wichtig, dass die Kirche auch eine moralische Instanz ist und sich zu drängenden Fragen der Gegenwart äussert. Pfarrer Dietz und Pfarrerin Camichel teilen sich die Predigt, begleitet von Orgel und Klavier. Der Höhepunkt: All You Need Is Love von den Beatles, als Duett gespielt – ein magischer Moment. Es ist nicht alltäglich, dass so ein ikonisches, weltliches Lied in einem kirchlichen Kontext gespielt wird.


Nach Gebet und Schlusslied lege ich meine Spende in die Kollekte. Im angrenzenden Gemeinschaftsaal trifft sich die Gemeinde zu einem zweiten kleinen Frühstück. Die Menschen beider Kirchengemeinden kommen locker ins Gespräch. Die Markuskirche hat kürzlich ihr 75-jähriges Jubiläum gefeiert und bietet ein buntes Programm an. Doch mir fällt auf: Das Durchschnittsalter ist deutlich über meinem. Es macht mir aber nichts aus, da ich ausreichend Gesprächspartner*innen gefunden habe.


Vielleicht braucht es mehr moderne Musik, noch mehr aktuelle Themen und offene Gesprächsformate, damit auch wieder mehr junge Menschen einen Besuch den Kirchen abstatten.


Zur Wiedereröffnung der St. Peter Kirche bin ich bereits eingeladen.

 

Deborah Mäder, JULL-Stadtbeobachterin seit 2017



Foto: Deborah Mäder


bottom of page