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In der Kirche Weggis, entspannt

Aktualisiert: 29. Sept.

7. September 2025 Reformierte Kirche Weggis

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Foto: Bilal Petite Kathir


Ich sitze in der Kirche in Weggis, die Menschen um mich sind sehr nett. Gerade spielt jemand Kirchenmusik. Es tönt gut, es gefällt mir. Der Pfarrer steht auf, er spricht. Er sieht chillig aus, nicht zu ernst. Er ist entspannt. Er spricht mit einem leichten Lächeln im Gesicht. Sodass ich denke, er ist sicher einverstanden mit anderen Meinungen.

 

Wenn er spricht, klingt er wie ein Lehrer. Er erzählt: Als sein Kind geboren wurde, erschien ein Regenbogen. Meine Mutter hat mir das auch gesagt: Als ich geboren wurde, erschien ein Regenbogen.

 

Jetzt singen sie wieder. Aber sie sehen nicht religiös aus.

 

Genau um 8 Uhr 10 habe ich sie am Hauptbahnhof in Zürich getroffen. Die Pfarrerin von St. Peter stellte mir ein paar Fragen, wir haben ein bisschen gesprochen. Alle waren perfekt nett. Und normal.

 

Was komisch war: Jede Bewegung, die ich machte, wurde ganz genau beobachtet. Nach 10 Minuten im Zug wollte ich Musik hören. Ich holte die Kopfhörer aus meiner Tasche und sie haben mich alle angeschaut, als ob ich ein Terrorist wäre, der jetzt eine Bombe zünden könnte.

 

In Luzern stiegen wir auf ein Schiff. Angekommen in Weggis habe ich gedacht: Die Schweiz ist schön. Berge waren da und der See auch. Ich habe ein paar Fotos gemacht. Auf dem Schiff sprach ich mit einer alten Frau, die 1990 in Paris Musik studiert hatte.

 

Was sie jetzt in der Kirche singen, gefällt mir. Ich glaube, sie singen für Gott. Zum Glück sind es alles coole alte Leute. Der Pfarrer spricht wieder. Er spricht ein ganz klares Deutsch, aber ich verstehe ihn nicht. Egal was er sagt, ich verstehe ihn nicht. Das Ding ist: Ich kann nicht zuhören, was er sagt, weil ich am Schreiben bin.

 

Sie singen für Gott. Die Kirche sieht sehr gemütlich aus. Nicht stressig. Man entspannt sich, wenn man da ist.

 

Wieder Musik. Was ich mich frage, ist: Wird meine Generation in 50 Jahren auch noch so in die Kirche gehen? Und ich frage mich auch: Die Menschen, die heute in der Kirche sind, sind die hier aus einem bestimmten Grund, oder ist es für sie einfach normal in die Kirche zu gehen?

 

Ich denke: Religion in 50 Jahren wird nicht mehr das gleiche sein. Niemand mehr wirds jucken, was ich auch verstehe. Oder vielleicht wird sich eine bestimmte Altersgruppe sehr hart für Religion interessieren. Vielleicht Menschen, die heute noch gar nicht geboren sind. Oder es wird wieder kommen wie vor 50 Jahren und jeder wird sich für Religion interessieren. Also ich würde das nie machen, aber verstehe es auf eine Art, warum sie es machen. Eine Welt ohne Kirche wäre komisch. Denn die Religion ist auch da, um die Dinge auf der Welt zu verstehen.

 

Der Pfarrer redet jetzt über Jesus. Seine Art zu erzählen, erinnert mich an Geschichtsunterricht. Was ich von dem Ganzen denke: Es gibt auch coole Religiöse und der Ausflug ist besser als ich dachte. Trotzdem werde ich nie religiös werden. Ich habe keine Motivation zu beten. Denn ich kann nicht an etwas glauben, was ich selbst noch nie gesehen habe.

 

Wieder Musik. Wieder singen sie für Gott. Bis jetzt hat mir die ganze Kirchenmusik gefallen. Es ist ganz still, sie beten gerade.

 

Wenn ich in eine Kirche gehen würde, dann nur für das Klavier. Was ich spielen würde? Ich weiss nicht. Vielleicht «Hey Jude» von den Beatles?

 

Es kommt der Schluss, sie singen noch einmal ein Lied für Gott. Jetzt habe ich keine Lust mehr zu schreiben. Ich hoffe, ich habe alles gesagt, was ihr wissen wolltet.



 

Bilal Petite Khatir, *2009, schreibt seit 2025 für die JULL-Stadtbeobachter*innen.




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