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Ausgang

Ich bin kein Mensch, der weiss, was so läuft. Vor allem nicht in der Nacht. Ich habe kein Instagram oder andere soziale Medien, mein engstes Umfeld trifft sich nicht nach 22 Uhr, und es fällt mir auch nicht ein, dass ich meine Freund*innen anrufen und mich erkundigen darf, was sie heute Abend tun. Wenn ich nichts zu tun hab und depressiv zuhause hänge, nehme ich diesen Zustand als gottgegeben hin und warte allein und mich selbst bemitleidend auf den Schlaf, der mich erlöst.

 

            Das mit dem Nicht-Anrufen ist doof. Es tut auch meinen Freundschaften nicht gut. Aber ich kriege es einfach nicht hin. Ich habe einen anderen Copingmechanismus entwickelt: Ich überlege, wen ich alles kenne und wo die gerade stecken könnten. Dann ordne ich diese Orte so an, dass eine gute Spazierroute dabei rauskommt. Ich ziehe los und klappere die Treffpunkte der Reihe nach ab: Umbo, Provi, ZW, Zuki, Kauz... Meistens treffe ich niemanden. Und erspähe ich Menschen, die ich kenne, mache ich im Schnelldurchlauf eine Gefühlsodyssee durch. Etwa so:

 

1.        Schön, ich kenne die. Ich habe erfolgreich antizipiert, wo die Jungen hingehen. Ich kenne meine Stadt.

2.       Sie kennen mich auch. Ich bin jemand. Man kennt mich in meiner Stadt. Es gibt mich.

3.       Ich traue mich nicht, auf sie zuzugehen. Es ist schlimmer, wahrgenommen zu werden und sich zu blamieren, als unsichtbar zu sein. Schnell weg hier, sonst werde ich sichtbar.

4.       Ich weiss sogar, wo hin gehen, doch wenn ich ankomme, bin ich nicht willkommen, denn die Leute kennen mich nicht wirklich. Und ich bin nicht der Typ, sie trotzdem anzusprechen. Ich hasse, wie ich bin.

5.       Unsichtbar sein ist auch scheisse. Es kennt mich niemand in dieser Stadt.









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