Reformationskolumne Nr. 4
Warum liest eine Atheistin die Bibel?
Als Reformationsbeobachterin Selma Matter eine atheistische Kunsthistorikerin fragt, ob sie die Bibel lesen soll, wird es zuerst einmal ziemlich lang still im Telefon. Bettina befasste sich im Kunstgeschichtsstudium mit dem Neuen Testament. Zwanzig Jahre später betrachtet sie ihre Bibellektüre nüchtern: «Mit meinem eigenen Glauben hatte das nichts zu tun.» Beeinflusst haben sie die Texte nicht, beeindruckt schon. Das Neue Testament, sagt sie, sei in seiner Thematik sehr weltlich. Es behandle urmenschliche Themen wie Gewalt oder Lust, welche auch in der christlich geprägten Kunst auftreten. Weil sich das Kunsthandwerk nicht mit rein weltlichen Themen auseinandersetzen durfte, wurde alles im Rahmen religiöser Darstellung verhandelt. Um diese Werke zu verstehen, seien Bibelkenntnisse unerlässlich, sagt die Kunsthistorikerin. «Aber ich erinnere mich nicht mehr im Detail, das ist lange her.» Viel präsenter ist ihr, was biblische Texte anhand beispielhafter Geschichten über die Menschheit erzählen. «Soll ich die Bibel lesen?» frage ich sie. Stille in der Telefonleitung. «Ich denke, ein Evangelium sollte man schon gelesen haben», sagt Bettina irgendwann.
Nicola Bryner, Deborah Mäder, Selma Matter, Anaïs Rufer und Mara Richter (von links).
(Foto: Roland Tännler)
JULL Projekt 72 - Reformationsbeobachter/innen (a.k.a. Stadtbeobacher/innen) - Jugendliche denken schreibend über Reformation, Kirche, Glauben... nach. Gefördert und im Rahmen von ZH-REFORMATION.CH und in Zusammenarbeit mit der Zeitung reformiert. Schreibcoaching und Redaktion: Gina Bucher.